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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Die Werke Leone Leoni's in den kaiserlichen Kunstsammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0089
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Albert Ilg.

Ungarn,1 sicher aber zwei des Prinzen Philipp nach dem Bilde Tizian's in Neapel, deren eine am Revers die
prächtige Composition des Hercules am Scheidewege hat, mit der Umschrift: Colit • Ardua -Virtus-—
Ercules ■ Virtus • Voluptas- und der Bezeichnung: LEO ■ F • Auf dem Brustpanzer findet sich wieder
das Mascaron, die Entstehungszeit ist i D46.2

In all' den aufgezählten Medaillen sprechen sich eine Reihe Eigenthümlichkeiten des Meisters aus,
welche sich in seinen grossen Sculpturen wiederholen. Vortrefflich hat ihn Cicognara3 gekennzeichnet,
wenn er anlässlich der Würdigung des Mediceischen Denkmals äussert: una certa maniera o gentilezza un
poco studiata, nulladimeno sono condotte con molta eleganza di stile, e con non soverchia fierezza. Mit
diesen treffenden Worten scheint uns Leoni richtigst beurtheilt. Die maniera theilt sein Stil mit allen
nach-Michelangelesken Meistern Italiens, welche seine Zeitgenossen waren, und sie hat sich bei ihm so
gut wie bei Valerio Belli, Sansovino, Cellini, Giovanni da Bologna, Francavilla, Ammanati oder dem etwas
späteren Adrian de Fries mit jener gentilezza der äussern Erscheinung verbündet, in welcher zum Unter-
schied von dem innerlichen, sittlichen und idealen
Adel der älteren Sculpturwerke der italienischen
Renaissance dasjenige Moment zur Herrschaft ge-
langte, wodurch sich im Geiste der Zeit die Vor-
nehmheit des äusserlichen Wesens zum Ausdrucke
bringt. Eine gewisse Noblesse im socialen Sinne,
ein zuweilen etwas kühles Wesen der Vornehm-
heit, wenn man will, ein höfisches Element, dringt
um diese Zeit in die Welt der künstlerischen Pro-
ductionein, eine Richtung, welche zwar noch sehr
ferne steht von der etiquettemässigen Repräsen-
tations- und Allegorisirungskunst des Barockzeit-
alters, aber ebenso gewiss bereits von der naiv-
volksthümlichen, sowie von der erhaben-idealisti-
schen Art älterer Schaffensweise sich abgekehrt
hatte. In dieser ihrer Eigenschaft liegen Vorzüge
und Mängel der Kunstrichtung begründet; denn
es fehlt ihren Gestalten — und zwar den religiösen
und mythologischen nicht weniger als den Bild-
nissen — allerdings gar häufig die innere Wärme, das heiss pulsirende Lebensblut; ihre Heiligen geben sich
der Andacht und ihre Göttinnen der Liebesfreude mit so gemässigtem Ausdruck, so kühl und ruhig-gemessen
hin, wie ihre Fürstinnenporträte in die Welt blicken — aber in diesem feinen Masshalten, in dieser Entfer-
nung von allem Heftigen, Derben und Gemeinen liegt doch wieder ein hoher Reiz. Die Maler der Epoche,
ein Hans von Aachen, Spranger, Heinz, verstanden es, durch ihre eleganten Figürchen mit den feinen Pro-
portionen und schlanken Gliedern, den vornehmen, aber stets leidenschaftslosen Zügen und dem glatten,
kühlen Colorit, demselben ästhetischen Postulat ihrer Tage insgleichen voll zu entsprechen.

Es ist daher weiters sehr richtig, wenn die gentilezza solcher Schöpfungen un poco studiata genannt
wird. Das ist auch den scheinbar leichtest erfundenen Compositionen eines Giovanni da Bologna anzu-
sehen und artet bisweilen in Coquetterie und künstliche Grazie aus. Jenes Etwas, das seit der Kunst
des Augusteischen Roms nicht wieder zu Tage getreten war, das Elegante, eleganza di stile, bildet den
Kernpunkt der Plastik und Malerei in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, jene mild-vornehme

XX, 1. — Die Uebereinstimmung der gedachten Medaillen der Kaiserin von Leoni, dessen Verhältniss zu Tizian höchst inter-
essant ist, wird bei der Untersuchung mehrerer zu jenem Maler in Beziehungen stehenden Porträte des Kaiserhauses von Wich-
tigkeit sein.

1 Armand, Nr. 26, Diam. 73.

2 Armand, Nr. 27, Diam. 78; Nr. II, Diam. 84; van Mieris, III. 371.

3 1. c, II. p. 321.
 
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